Neapel – Eine Liebe fürs Leben
Neapel stand nie wirklich auf meiner Liste der Orte, die ich unbedingt besuchen wollte. Ich war bis dato nur ein einziges Mal dort, und das war auch nur eine Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen zum Hafen. Aber ganz durch Zufall wurde es dann doch zu unserem Reiseziel. Und jetzt möchte ich nicht eine Sekunde unseres Aufenthaltes dort missen. Neapel ist laut, chaotisch, hektisch, alt, quirlig, schnell, lebendig, offen, gastfreundlich, unglaublich herzlich und einfach nur überwältigend!
Vedi Napoli e poi muori!« sagen sie hier. »Siehe Neapel und stirb!« Daß kein Neapolitaner von seiner Stadt weichen will, daß ihre Dichter von der Glückseligkeit der hiesigen Lage in gewaltigen Hyperbeln singen, ist ihnen nicht zu verdenken, und wenn auch noch ein paar Vesuve in der Nachbarschaft stünden. - Johann Wolfgang von Goethe
Vorab haben wir uns intensiv mit Reiseführern und dem Internet beschäftigt. Es gibt unzählige Foren und Listen der Top-Sehenswürdigkeiten... einfach viel zu viel Informationen. Trotzdem haben wir es nach einiger Zeit geschafft, uns auf die für uns wichtigsten Punkte zu einigen. Letztendlich haben wir vorab tatsächlich gar nichts organisiert – bis auf den Mietwagen, denn wir wollten einen Tag unbedingt an der Amalfiküste verbringen.
Es führen viele Wege nach Rom – und noch mehr durch Neapel
An unserem ersten Tag wollten wir ein Gefühl für die Stadt bekommen. Startpunkt: die Piazza Dante. Aber es galt, erstmal zur Piazza Dante zu kommen. Und damit standen wir auch schon vor der ersten Hürde. Die Automaten an unserer Bahn-Station funktionierten nicht und auch der Schalter war nicht besetzt. Wo kauft man jetzt Fahrkarten für die Bahn? Wie wir dann schnell von anderen wartenden Fahrgästen gelernt haben, ist es in Italien eigentlich ganz einfach, denn Fahrkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel gibt es in jedem Tabacco-Shop. Und diese findet man so ziemlich an jeder zweiten Ecke. Was wir dann ebenfalls direkt gelernt hatten: Das System der öffentlichen Verkehrsmittel in Neapel ist – zumindest wohl für Touristen – alles andere als selbsterklärend. Für jede Linie bzw. jedes Transportmittel gibt es andere Fahrkarten. Ein netter und hilfsbereiter älterer Herr erklärte uns: „Die Metro ist die Mama, die Bahn der Papa, der Bus die Schwester. Jeder steht für sich und sie haben nichts miteinander zu tun“. Aha. Wichtig ist es also, bei jedem Fahrkartenkauf unbedingt zu erwähnen, welche Strecke man fahren möchte, damit man auch die richtigen Fahrkarten bekommt.
Nach ca. 25 Minuten waren wir dann also an der Piazza Dante. An der Straße direkt an der Piazza bleiben wir erstmal stehen und beobachteten. Autos, Busse, Mopeds, Fußgänger… Verkehrsregeln scheinen hier nicht zu existieren. Dafür wird die Hupe als allgemeingültiges Kommunikationsmittel eingesetzt: wenn man überholen möchte, abbiegt, einparkt, dem anderen die Vorfahrt gewährt oder nimmt. Auch rote Ampeln dienen meist eher der Dekoration und das ganze Szenario besteht ausschließlich aus schnellem Reagieren. Fußgänger überall zwischendrin. Und der erste Kommentar eines Mitreisenden war: Ich werde hier auf gar keinen Fall Auto fahren.
Es erscheint wie ein absolutes Chaos! Aber das Faszinierende daran: Es funktioniert!
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Geschichte überall
Nach diesem ersten Eindruck machten wir uns über die Via Port’Alba auf den Weg zur Piazza Vincenzo Bellini. Es ist direkt um einiges ruhiger, und die kleine archäologische Ausgrabungsstätte führt einem zum ersten Mal vor Augen, in welch einer historischen Stadt man sich eigentlich befindet. Bei den Ausgrabungen handelt es sich um Teile der griechisch-römischen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert v. Chr., die einst das antike Neapolis begrenzte. Einige Cafés liegen direkt an der Ausgrabungsstätte und man kann bei einem Espresso gleich die erste Pause einlegen.
Für Leib und Seele
Spontan beschlossen wir, den geplanten Spaziergang einfach zu beenden und uns treiben zu lassen. Also zurück zur Piazza Dante und von dort aus Richtung Süden einfach die Via Toledo entlang. Sie ist eine der wichtigsten Straßen Neapels und größtenteils Fußgängerzone. Aber wie bereits erwähnt, kennt der Neapolitaner nur wenige Regeln und daher kann man selbst den Bereich der Fußgängerzone nicht wirklich als solchen bezeichnen. Man kriegt hier auf jeden Fall etwas geboten. An jeder Straßenecke gibt es etwas zu entdecken, sei es die köstliche neapolitanische Küche, das wilde Gestikulieren der Neapolitaner, das hektische Treiben in den engen Gassen, die vollen Wäscheleinen, die an jedem zweiten Balkon zu sehen sind oder die Mopeds, von denen es gefühlt mindestens genauso viele gibt wie Fußgänger.
Wer shoppen möchte, ist hier genau richtig! Es gibt zahlreiche Boutiquen und fast am Ende der Straße befindet sich die Einkaufspassage Galeria Umberto I. Diese wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und beeindruckt mit ihrer neoklassischen Architektur. Im Mittelpunkt der Galerie befindet sich auf dem Fußboden ein Mosaik von Sternzeichen. Es heißt, wer sich auf seinem Sternzeichen zweimal um die eigene Achse dreht, darf sich etwas wünschen. Gesagt, getan.
Nun wurde es Zeit für einen Mittagssnack. Auf dem Hinweg waren wir bereits an einem (von vielen) Bistros vorbei gelaufen, wo uns allein der Anblick des Angebots das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Also nichts wie zurück dort hin. Drinnen am Tresen wimmelte es von Einheimischen, die sich ein süßes Stück und einen Espresso gönnten. Ein gutes Zeichen, sagten wir uns und schnappten uns einen Tisch draußen direkt an der Straße. Der Chef des Hauses stand keine Minute später bei uns und erklärte, was es heute gibt, welche Extras er uns anbieten könnte und was wir unbedingt probieren sollten. Eine viertel Stunde später saßen wir essend und selig da und redeten kein Wort, denn wir waren alle mit Beobachten beschäftigt. Es sind noch mehr Menschen und Mopeds geworden, zumindest scheint es so. Vielleicht lag es auch nur daran, dass wir sitzen. Denn um uns herum bewegte sich alles. Es wird gehupt, ausgewichen, gelacht, laut geredet, im Gehen gegessen, telefoniert, geschlendert…
Im Untergrund
Gestärkt durch den Snack waren wir bereit, doch noch etwas von unseren geplanten Sehenswürdigkeiten anzusteuern, und entschieden uns wegen der Hitze für die Unterwelt Neapels, die Sotterranea, an der Piazza San Gaetano. Und wir wurden nicht enttäuscht. Circa 40 Meter unter der Erde war es um einiges kühler und zudem konnten wir noch eindrucksvolle Höhlen, Zisternen und Brunnen besichtigen, die sich in einem kilometerlangen Labyrinth unter der Stadt erstrecken.
Was isst man in Neapel? Natürlich Pizza! Hier isst man die Pizza jedoch meistens "auf die Hand", sprich im Stehen oder Gehen. Erscheint erstmal merkwürdig, aber so macht es hier jeder. Wir fanden einen kleinen Pizzastand auf der Via Toledo, bei welchem man über einen Bildschirm dem Pizzabäcker zuschauen kann. Davor wimmelt es von Einheimischen. Schnell waren wir dran und bestellten Pizza zwischen drei und sechs Euro und reservierten uns einen Stehtisch an der Straße. Eben noch beobachteten wir unsere Pizza auf dem Bildschirm, schon war sie auch fertig. Der Himmel auf Erden! Das war mit Abstand die beste Pizza, die wir je gegessen haben.
Auf glühenden Kohlen
Wenn man schon in Neapel ist, ist der Besuch des noch aktiven Vulkans Vesuv und auch die Besichtigung der archäologischen Stätte von Pompeji ein absolutes Muss. Die Fahrt zum Vesuv ist einfacher als gedacht. Ab dem Hauptbahnhof Garibaldi fährt die Circumvesuviana alle 20 Minuten. Wir waren besorgt, ob wir den Zug finden würden, aber diese Sorge ist unnötig, denn die Circumvesuviana ist mehr als gut ausgeschildert. Aber Vorsicht, für diesen Zug benötigt man – wie sollte es auch anders sein – wieder eine andere Fahrkarte.
Es geht bis nach Herkulaneum (Ercolano), und von hier aus fährt ein Bus bis fast nach ganz oben. Mit der Buskarte kauft man auch direkt die Eintrittskarte für die Besichtigung des Kraters. Die Fahrt nach oben dauert ca. 30 Minuten und es geht über enge und kurvige Straßen bis zu einem Parkplatz, von dem aus man den letzten Kilometer zu Fuß gehen muss. Festes Schuhwerk ist hier zwingend notwendig, denn der Weg ist relativ steil. Der Weg nach oben ist zwar anstrengend, aber die Aussicht über Neapel ist wunderschön.
Und dann steht man plötzlich am Rand des Kraters eines noch aktiven Vulkans. Er ist riesig… und irgendwie gruselig ist es auch, vor allem als uns auffällt, dass es hier und da aus den Kraterwänden raucht. Nach unzähligen Bildern geht es den Weg zum Parkplatz wieder zurück, und der Weg hinunter ist nicht weniger anstrengend.
Unter Schutt und Asche
Von Herkulaneum geht es dann für ca 15 weitere Minuten mit der Circumvesuviana weiter bis nach Pompeji. Ca. 40 Meter vom Bahnhof entfernt befindet sich der Haupteingang Porta Marina und da es bereits Nachmittag ist, gibt es auch keine Schlangen an den Kassen mehr. Hier kann man sich sogar Audioguides in sämtlichen Sprachen ausleihen. Doch dafür benötigt man einen Ausweis oder eine Kreditkarte. Beides hatten wir natürlich nicht dabei. Na super… und jetzt? Eine hilfsbereite Dame macht uns dann darauf aufmerksam, dass auch die kleinen Guide-Hefte völlig ausreichend seien und sie kreuzt uns die wichtigsten Punkte an. Okay, dann machen wir uns mal ganz alleine und richtig „oldschool“ mit Papier auf Besichtigungstour!
Man kennt ja Bilder von Pompeji, sei es aus Reportagen im Fernsehen oder aus dem Internet, aber ein so riesiges Gelände hatte keiner von uns erwartet. Am Eingang erhielten wir richtige Stadtpläne und uns wurde klar, dass wir die nächsten Stunden hier verbringen würden. Es ist – wieder einmal – einfach nur überwältigend! Da liegen nicht nur einfach ein paar Steinbrocken rum. Hier gibt es Straßen, Häuser, Stadtvillen und Tempel, naja, die Reste davon, aber das haut uns um. An einigen Wänden kann man sogar noch die Farbe oder gar Bilder darauf sehen. Im Hintergrund ragt der Vesuv in den Himmel. Der ist doch eigentlich ganz schön weit weg, denken wir uns. Und trotzdem legte er diese Stadt vor knapp 2000 Jahren wortwörtlich in Schutt und Asche.
Das Meer immer im Blick
Am letzten Tag haben wir dann unseren Mietwagen. Nach knapp einer Stunde und dem letzten Stück aus engen und kurvigen Straßen kamen wir in Amalfi an. Die Aussicht ist wunderschön, so wie man es schon mehrfach auf Bildern gesehen hat. Aber leider sind alle Parkplätze restlos überfüllt und auch zu teuer, um länger Pause machen zu können. Also fuhren wir weiter an der Küste entlang nach Positano und legten spontan einen Stop im kleinen Örtchen Praiano ein. Weiter ging es dann über Positano und ein Stück landeinwärts nach Sorrento. Dieses Städtchen ist so ganz anders als Neapel. Die pittoreske Altstadt mit den kleinen verwinkelten Gassen ist wie man es sich vorstellt und an der Marina angekommen bewunderten wir den Ausblick auf den Vesuv. Im kleinen, völlig untouristischen Ort Piano di Sorrento fanden wir dann ein kleines und sehr gut von Einheimischen besuchtes Restaurant und gönnen uns zum ersten Mal keine Pizza, sondern Pasta. Und auch diese – himmlisch!
Jeder Tag dieser Reise war anders, aber jeder für sich großartig, anstrengend, lecker und beeindruckend. Hier gibt es alles auf einmal, Italien mit all seinen Klischees, Sehenswürdigkeiten, Geschichte, wunderschöne Aussichten, leckeren Espresso und natürlich die beste Pizza der Welt! Mein Motto lautet ab jetzt: Neapel sehen und lieben!