„Wein soll vor allem schmecken“ -- 10 Fragen an einen Sommelier
Sein Beruf ist es, Wein zu trinken. Wir wollten von Mathias Brandweiner, Sommelier im „Les Solistes by Pierre Gagnaire“ im Waldorf Astoria Berlin, wissen, wie man zu so einem Beruf kommt und was man sonst noch alles über den Rebensaft wissen muss.
1.Wie sind Sie zum Beruf des Sommeliers gekommen? Was waren Ihre bisherigen Stationen?
Wein und Genussprodukte haben mich schon seit meiner Zeit in der Hotelfachschule in Krems interessiert. So richtig zum Beruf Sommelier bin ich aber durch meinen ersten Lehrherr, Steve Breitzge aus dem Loft in Wien, gekommen und wurde von ihm praktisch „großgezogen“. Nach Stationen im Sofitel Wien, The Lanesborough London, Bulgari London und dem Le Faubourg in Berlin bin ich nun im Waldorf Astoria in Berlin tätig.
2.Wie muss man sich die Ausbildung zum Sommelier vorstellen?
Zeitaufwändig, schwierig und viele Verkostungen! Es gibt in jedem Land andere Möglichkeiten, Sommelier zu werden. Mein Weg war es, den 2 Jahre dauernden Diplomsommelier in Österreich zu absolvieren. Das Wichtigste für mich ist aber der ständige Austausch mit Sommelier- und Winzerkollegen, da sich die „Weinwelt“ enorm schnell dreht.
3.Es ist ja oft die Rede von bestimmten Geschmacksnuancen von Wein wie Lorbeer, Zimt, Erde etc. Schmeckt man das wirklich oder hängt das von der Rebsorte und dem Anbaugebiet ab und man „weiß“ es sozusagen als Sommelier?
Grundsätzlich wird zu viel in den Wein hineininterpretiert. Dabei wird das Wichtigste vergessen, nämlich dass der Wein vor allem schmecken und Freude bereiten soll. Natürlich können vor allem Weinkenner viele Aromen differenzieren, aber es sollte dennoch für den Konsumenten verständlich präsentiert werden. Die Geschmäcker werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie die Traube, die Region, das Klima, der Jahrgang und vor allem auch dem Winzer.
4.Ich bin kein Fachmann. Woran erkenne ich einen guten Wein, wenn ich ihn nicht probieren kann? Worauf muss ich beim Kauf achten?
Am besten gehe ich zum Fachmann in die Vinothek und lasse mich beraten. Falls keine Vinothek vorhanden ist, kaufe ich mir am besten eine Flasche, welche mich gerade anlacht und koste sie zu Hause. Wenn der Wein schmeckt, einfach beim nächsten Einkauf mehr mitnehmen. Heutzutage gibt es eigentlich fast keinen schlecht schmeckenden Wein mehr. Es kommt auf den eigenen Geschmack an, den man am besten durch vieles Verkosten schärft und trainiert.
5.Kann ich einen guten Wein auch beim Discounter kaufen? Gibt es einen „Mindestpreis“, an dem ich einen guten Wein erkenne?
Bestimmt gibt es auch guten Wein beim Discounter. Jedoch ist das eine Frage, die jeder mit sich selbst klären muss, wo er einkauft. Ich sehe es ein bisschen wie bei den Lebensmitteln wie Gemüse und Fleisch: Ich möchte, dass die Bauern für Ihr Produkt faires Geld bekommen, damit Sie auch in Zukunft Top Qualität produzieren können -- und da bin ich bei 2,50€ für eine Flasche Wein weit entfernt. Ich denke, für eine gute Flasche Wein kann man zwischen 8-15€ ausgeben.
6.Bald fängt wieder die Weinlese an. Wird das Weinjahr 2016 ein Gutes? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit es ein gutes Weinjahr wird?
Die Frage, ob 2016 ein gutes Jahr wird, möchte ich nicht mit ja oder nein beantworten. Es hat sich oft gezeigt, dass aus schlecht prognostizierten Jahren so tolle Weine hervorgebracht worden sind, dass ich da vorsichtig bin. 2016 hat zumindest schon einigen Regionen im Frühjahr viel Frost und Ernteausfälle beschert.
Bei der Frage nach einem idealen Jahr kommt es auch wieder auf die Region und die Rebsorten an. Manche mögen es trockener, heißer, andere kühler und beständiger. Was man natürlich nicht gebrauchen kann, sind Hagel und Frost.
7.Sie beraten die Gäste im Les Solistes ja bei der Weinauswahl. Wie wählen Sie den perfekten Wein zum Essen aus? Was ist wichtig bei der Wahl des richtigen Weins?
Man muss die Gäste wie ein Buch lesen und Fragen stellen, um den richtigen Wein zu empfehlen. Dabei muss man offen sein und richtig zuhören. Es gibt auch immer einen Probeschluck. Falls dieser dem Gast nicht schmeckt, wird eine Alternative gesucht. Das Wichtigste ist, dass der Wein schmeckt und Freude bereitet.
8.Haben Sie einen persönlichen Lieblingswein oder Jahrgang? Trinken Sie privat auch lieber Wein oder darf es auch mal ein Bier sein?
Ich bin ein sehr offener Mensch, der sich gerne überraschen lässt. Meine Lieblinge ändern sich von Zeit zu Zeit, momentan habe ich die mineralischen Rieslinge aus gereiften Jahrgängen sehr gerne. Ich liebe es zu Hause eine Flasche Wein mit meiner Familie zu trinken. Natürlich trinke ich auch gerne Bier, besonders nach einer Weinverkostung, wo man hunderte von Weinen verkostet.
9.Champagner ist ja auch eine Weinsorte. Was macht ihn aber so teuer und wo liegt der Unterschied zwischen Sekt, Prosecco und Champagner?
Champagner ist aus verschiedenen Gründen teuer. Es beginnt bei den Trauben. Die Trauben der Champagne sind die teuersten der Welt. Hier liegt der Kilo-Preis bei ca. 7€, für eine Flasche braucht man ungefähr 1,2 kg Trauben. Auch die Lagerung von 4 Jahren aufwärts steigert den Preis eines Champagners. Eine komplizierte Herstellung, Aufwand und Nachfrage kommen dann noch dazu.
Champagner ist ganz klar eigenständig und unverwechselbar, es gibt jedoch tolle Konkurrenz von deutschen Sekten, spanischen Cavas und italienischen Franciacorta, die allesamt wie Champagner produziert werden, jedoch eigene Geschmacksrichtungen haben.
Prosecco aus dem Veneto wird mit einem anderen Verfahren produziert. Hier wird meistens zum fertigen Wein Kohlensäure hinzufügt, welches einen günstigeren Preis durch die schnellere Produktion ermöglicht. Dieser schmeckt auch leichter und hat in der Regel weniger Kohlensäure.
10.Was sind die neuen Trends beim Wein? Gibt es sowas wie Trends überhaupt in der Weinindustrie?
Trends gibt es auch in der Weinbranche. Momentan sind die Biodynamischen, oder auch „orange“ Weine, sehr im Kommen. Hier geht man wieder zurück zum Ursprung und zur Nachhaltigkeit. Eine für mich sehr logische und auch gute Entwicklung. Man sollte trotzdem auch andere Weine nicht aus dem Auge verlieren. Es ist schön, in einer so vielfältigen Branche zu arbeiten.