Seiser Alm -- zwischen Gourmetküche und Kräuterkunst
Unendliche Weiten übersät mit saftigsten Wiesen, fast unwirklich erscheinende Felsformationen am Horizont: Die Seiser Alm in Südtirol gibt uns eine Ahnung, wie vor langer Zeit mal die Welt ausgesehen haben muss. Unberührt, unverfälscht, unglaublich schön. Und das trotz der vielen Touristen, die sich hier alljährlich die Wander-bzw. Skistöcke in die Hand geben.
Die Seiser Alm ist nicht - wie vielleicht viele denken - eine einzelne Hütte. Die Seiser Alm ist eine Region in den Südtiroler Dolomiten. Mit einer Größe von 56km² ist sie die größte Hochalm Europas, gelegen auf einer Höhe von 1680 bis 2350 Metern. Im Südwesten begrenzt der Schlern, das Wahrzeichen Südtirols, die Alm, zusammen mit der Roterdspitze und den Rosszähnen. Alles Gipfel übrigens, was die Namen nicht wirklich erkennen lassen. Im Osten schließt sich das Bergmassiv der Langkofelgruppe an. Zum Norden und Westen hin fällt die Seiser Alm in flachen Hügeln gen Tal hinab.
Die Berge und Felsen, Wiesen und Pisten ergeben in Summe ein traumhaftes Sportgebiet. 30 Kilometer Wanderwege leiten durch das Gebiet, im Winter tobt man sich auf 60 Kilometern Skipisten und 80 Kilometern Langlaufloipen ordentlich aus.
Die Natur erschmecken
Aber am Besten entdeckt man die Natur der Seiser Alm eigentlich bei einem Besuch auf den zahlreichen bewirtschafteten Hütten. Es hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber auf der Seiser Alm "erschmeckt" man die Natur.
Zum Beispiel in der Gostner Schwaige von Franz Musler. Legendär ist hier die Heusuppe. Die mehr als 25 Kräuter, die dafür verwendet werden, werden auf den umliegenden Wäldern und Wiesen gepflückt. Weitere Delikatessen des vom Gault Millau prämierten Kochs: Tafelspitz vom Milchkalb vom elterlichen Bauernhof oder karamellisierter Kaiserschmarrn mit Marillen und Rosen. Den Käse für den deftigen Abschluss stellt der Allrounder als Senner natürlich auch selbst her.
Eine weitere Spezialität der Seiser Alm: der Bergessig von Florian Rabanser. Heimische Lagreintrauben werden zu Most vergoren, dann mit Weinessig versetzt. Eine gefühlte Ewigkeit und unzählige Umfüllungen später ist das Produkt fertig: ein dickflüssiger, klebriger und ungemein intensiver Balsamico aus Südtirol, der in Geschmacksintensität und Feinheit den Konkurrenten aus Modena in nichts nachsteht.
Rabanser stellt aber nicht nur Essig her. Seine zweite Leidenschaft gilt dem Hochprozentigen. Aus Birnen und Marillen, Kirschen, Himbeeren, Kräutern und Vogelbeeren von der Seiser Alm brennt er Schnaps -- herrlich reinen, frischen, fruchtigen Schnaps ohne Zucker oder sonstige Zusatzstoffe. Dadurch schmeckt jede einzelne Komponente so unglaublich intensiv, dass es für ungewohnte Gaumen schon fast zu viel des Geschmacks ist. Aber man gewöhnt sich daran, sehr schnell sogar!
Die Menschen hier auf der Seiser Alm haben gelernt, sich die Natur zu nutzen zu machen und gleichzeitig mit ihr im Einklang zu sein. Man hat das Gefühl, dass alles ein rundes, stimmiges Bild gibt: die mit Kräutern und Blumen übersäten Wälder und Wiesen, die zum Entdecken einladen. Die schroffen Felsen der Dolomiten, die wie ein Mahnmal am Himmel stehen und uns daran erinnern, wie stark und doch gleichzeitig zerbrechlich die Natur ist. Und dazu die Bewohner der Seiser Alm, die über Generationen hinweg in dieser imposanten Umgebung leben und nicht nur das Beste aus ihr machen, sondern vor allem mit ihr.